• © Hanna Karstens - Percussion Day 21.09.2019

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Die Jugendmusikschule im Ergänzungsunterricht an den Hamburger Schulen

Lange ist es her… Bereits 1996 gab es mit drei Hamburger Grundschulen die ersten Pilotschulen, die mit der Jugendmusikschule (JMS) im Vormittagsbereich kooperiert haben.

  • Projekt Sängerpate mit der Hamburgischen Staatsoper © Peter Bruns
  • Barlsheide Dance Crew Altonale 2017 © Véronique Telliez
  • © Herr Pastenack

Im Jahr 1998, im Zusammenhang mit dem Auftrag des Senats, die verlässliche Halbtagsgrundschule (VHGS) bis 13 Uhr zu gewährleisten, entstanden viele neue Kooperationen. Die Begeisterung der Schulen, auf gut ausgebildete musische Lehrkräfte der JMS zurückgreifen zu können, war entfacht. Die Schulen erkannten, dass die Schülerinnen und Schüler in den musischen Angeboten nachhaltig und pädagogisch gut gebildet und unterrichtet wurden. Es entstanden viele Projekte und Veranstaltungen, an denen sich die Schulen mit ihren JMS-Kooperationsklassen beteiligen konnten (Big Ton trifft Mac Tanz auf Kampnagel, theater macht schule mit dem Thalia Theater, Sängerpaten mit der Staatsoper und vieles mehr).

Der Schulalltag wurde bunter, musikalischer und bewegter. Die Musik-, Tanz- und Chorklassen wie auch der Instrumentalunterricht gestalteten diverse Schulaufführungen mit. Auch die weiterführenden Schulen wurden nach und nach auf die Kooperation mit der JMS aufmerksam. So weitete sich das Unterrichtsfeld unserer Lehrkräfte auch auf die Sekundarstufen I und II aus. Ein umfassendes Angebot zur musischen Breitenbildung für alle Schülerinnen und Schüler an Hamburger Schulen wurde ermöglicht.

Im Zuge der Ganztagschulen hat sich auch der Kooperationsbereich der JMS weiter entwickelt. Mittlerweile nennt sich der ehemalige VHGS-Unterricht nun JMS-EUS (JMS-Ergänzungsunterricht an Schulen). Geeignete EUS-Standorte wurden mit JMS- Anschlussunterricht versorgt. Nun können musisch begeisterte Schülerinnen und Schüler, deren Interesse und Motivation an den Kooperationsangeboten geweckt wurde, ihre Talente noch weiter ausbauen.

Heute kooperieren im EUS-Bereich 76 Schulen in Hamburg mit der JMS. Davon sind gut 30 % seit Anfang an dabei, also seit 1998. Aus dem Kollegium der JMS unterrichten zurzeit 72 Lehrkräfte in EUS-Kooperationen.

Wir stellen heute zwei Schulen in Hamburg vor, die schon sehr lange mit der JMS kooperieren: Die Stadtteilschule Richard-Linde-Weg in Bergedorf und die Schule Barlsheide in Osdorf. Beide Schulen haben einen Einzugsbereich mit einem sehr niedrigen Sozialindex.

Die Schule Richard-Linde-Weg ist eine Stadtteilschule. Neben den umfangreichen fachlichen Wahlmöglichkeiten legt die Schule großen Wert auf die Vernetzung aller Jahrgänge untereinander. Zur Bereicherung des Schullebens sind regelmäßige Projekte und Veranstaltungen fest im Schuljahreskalender verankert.

Hier unterrichtet Claudia Franzen-Wilk seit 2003 mit einer vollen Stelle die Unterrichtsfächer Theater, Tanz und Musik und verbindet alle drei Unterrichtstypen fachübergreifend in regelmäßig stattfindenden Aufführungen.

Sie präsentiert ihre Schulklassen auf der Jungen Bühne Bergedorf, organisiert Projekte an der Schule (zum Beispiel mit dem Bundesjugendballett), besucht mit ihren Schulklassen Theater- und Musikaufführungen sowie Ausstellungen und nimmt mit ihnen an Veranstaltungen der JMS teil. Immer wieder kommt es auch zur Zusammenarbeit mit ihrem Jugendtheater Tarantella. 1997 hat sie den Kulturpreis Stadtteilkultur für die geleistete Arbeit mit Kindern und Jugendlichen erhalten.

„Ich arbeite sehr gerne an dieser besonderen Schule und kann die Unterstützung durch die Schulleitung sowie die kollegiale Zusammenarbeit als regelrecht „familiär“ bezeichnen. Das bedeutet nicht, dass die Bewältigung des Arbeitsalltags immer leicht ist. Oft genug steht man vor Herausforderungen, die bewältigt und gelöst werden müssen. Der Schwerpunkt meiner Arbeit liegt im Fach Theater, das ich mit viel Leidenschaft ab Klasse 5 bis 13 unterrichte. Hierbei gehe ich strikt nach dem Lehrplan vor, da das Fach sozusagen von „unten“ bis „oben“ gut strukturiert aufgebaut werden muss. Durch ausgewählte Wahrnehmungs- und Fokussierungsübungen gelingt es mir zumeist, auch defokussierte Schülerinnen und Schüler zur Ruhe und in eine Arbeitshaltung zu bringen.“

Andreas Nast, Schulleiter Stadtteilschule Richard-Linde-Weg: „Die Kooperation der Stadtteilschule Richard-Linde-Weg mit der Jugendmusikschule hat eine lange und erfolgreiche Tradition. Diese Zusammenarbeit ist geprägt von Kollegialität, Vertrauen und gekennzeichnet durch einen nahezu familiären Charakter. Darüber hinaus bietet diese Kooperation unseren Schülerinnen und Schülern die großartige Möglichkeit, die ,großen Bühnen dieser Welt‘ kennenzulernen.“

Die Grundschule Barlsheide ist ein weiteres Beispiel für eine gelungene und langjährige Zusammenarbeit von Schule und JMS. Im Rahmen des Ergänzungsunterrichts ist die JMS mit einer vollen Stelle Tanz und einer vollen Stelle Rhythmik vertreten. 

Seit 2011 mit dem Start der vollgebundenen Ganztagsschule und dem künstlerisch-musischen Profil  können die aktuell 350 Kinder die JMS-Angebote Rhythmik, Tanz, Musiktherapie, Percussion, Violine, Gitarre und Keyboard wählen und am Bandcoaching teilnehmen. Diese Kurse sind fest im Schulalltag integriert und finden bei den Schülerinnen, Schülern und im Lehrerkollegium großen Anklang. 

Das zeigt sich auch in der jährlichen Veranstaltung KIT (Kultur im Treppenhaus). Im Frühling öffnet die Grundschule Barlsheide ihre Türen für Kulturbegeisterte. Es werden verschiedene Darbietungen im Fach Tanz, Musik und Theater im Foyer der Schule, auf der Treppe oder auf der Bühne in der Aula präsentiert, bei der auch die verschiedenen JMS- und Schulgruppen (z. B. Barlsheide Dance Crew, Rockband, Percussion-, Geigen-, Gitarren- und Keyboardgruppen, Rhythmikal-Klassen und Chor) auftreten.

Kerstin Otten unterrichtet bereits seit 1979 das Fach Rhythmik an der JMS. Schon früh entwickelte sie Projekte und Kooperationen im Stadtteil Osdorfer Born mit Kitas und Schulen. Mit Beginn der VHGS unterrichtet Frau Otten in Schulkooperationen der JMS und seit 2008 ist sie mit einer vollen Stelle an der Schule Barlsheide. Sie hat in einer Schul-AG am Konzept Ganztagsschule mitgearbeitet und sich bei der Schulleitung dafür eingesetzt, mehr JMS-Fächer einzubinden. Frau Otten unterrichtet alle ersten bis vierten Klassen in einer wöchentlichen Rhythmikstunde. Zwei Klassen haben bei ihr zusätzlich je eine Wochenstunde Rhythmik im Rahmen des Sängerpatenprojekts mit der Staatsoper. Zurzeit läuft der sechste Durchgang des zweijährigen Projekts, das seinen großartigen Abschluss mit den Kindern auf der großen Opernbühne findet. Für das Projekt theater macht schule mit dem Thalia Theater arbeitet Frau Otten seit 2006 im Organisationsteam mit und nimmt regelmäßig mit ein bis zwei Klassen teil. Diese erhalten dafür zusätzlich bis zu drei Wochenstunden Rhythmik. Ihre Rhythmikals werden regelmäßig von der Jury zum Festival im Thalia Theater in der Gaußstraße eingeladen und die Kinder bekommen beim Wettbewerbsfest im Rathaus ihre Urkunden vom Schulsenator überreicht. Seit diesem Jahr hat Frau Otten eine weitere kulturelle Kooperation entwickelt:  sie „schickt“ alle vierten Klassen ins KomponistenQuartier und bereitet sie darauf vor. Durch die enge Zusammenarbeit mit einer Kollegin vom Theater für Kinder kommen sehr viele Klassen zum Zuschauen auch in dieses Theater.

Kerstin Otten: „Bei allen Rhythmik Aktivitäten arbeite ich sehr eng mit den Klassenleitungen und Fachkolleginnen und Fachkollegen zusammen. Neue Impulse und Ideen von mir werden vom Kollegium und der Schulleitung gerne aufgenommen. Schon seit Beginn meiner Arbeit an dieser Schule ist es für mich eine Herzensangelegenheit, den Kindern aus diesem sozialen Umfeld die aktive kreative Teilnahme am kulturellen Leben in ihrer Stadt zu ermöglichen. So bin ich überglücklich, sie schon auf den Bühnen im Miralles Saal der JMS, im Rolf-Liebermann-Studio des NDR, auf Kampnagel, im FundusTheater, im Thalia Theater in der Gaußstraße und der Staatsoper spielend, tanzend und singend erlebt zu haben.“

Die Tanz- und Theaterpädagogin Véronique Telliez ist seit 2011 an der Ganztagsschule Barlsheide, mittlerweile auch im Umfang einer vollen Stelle. Sie unterrichtet alle Schülerinnen und Schüler der Schule (19 Schulklassen!) mit einer wöchentlichen Tanzstunde. Zusätzlich leitet sie die Barlsheide Dance Crew, eine Gruppe aus Schülerinnen und Schülern der Jahrgänge drei und vier, die eine große Begeisterung für das Fach Tanzen zeigen.  Mit dieser Gruppe tritt Frau Telliez regelmäßig zum Beispiel im Thalia Theater in der Gaußstraße, auf der Altonale und auf Kampnagel auf.

Véronique Telliez: „Ich arbeite sehr gerne an der Schule Barlsheide. Die Kinder sind sehr lebhaft und von internationaler Herkunft. Meine Arbeit im Alltag der Grundschule beinhaltet nicht nur, das Fach Tanz altersgemäß zu vermitteln. Andere Komponenten sind gleichermaßen besonders wichtig: Zuwendung geben, Begeisterung für sein Fach transportieren, Disziplin und ethische Werte im Miteinander vermitteln, die Kinder bei der eigenen Wertschätzung unterstützen und einen Ort der Kreativität anbieten, wo das Kind im Mittelpunkt steht und sich wahrnehmen kann. Diese ganzheitliche Aufgabe, wenngleich sie eine gewisse Beanspruchung und Ausdauer erfordert, erfüllt mich mit Sinn und Freude. Das Besondere an der Arbeit in der Grundschule ist die Möglichkeit, Kinder zu erreichen, die sonst keinen Zugang zum Tanzunterricht finden würden, weil sie keine Tanzstudios oder Sportvereine besuchen können. Die Klassendynamik wird durch den Tanz-unterricht oder durch Tanzprojekte positiv gestärkt“.

Maria Einhaus, Schulleiterin Schule Barlsheide: „Seit fast 20 Jahren hat die Schule Barlsheide eine sehr gute Kooperation mit der JMS, die ich kontinuierlich ausgebaut habe. Zum anfänglichen Rhythmikunterricht, der nur stundenweise in einigen Klassen stattfand, kam Tanz / Darstellendes Spiel dazu und wird mittlerweile vollständig in allen  Klassen unterrichtet. Sukzessive wurde dieses Angebot durch Instrumentalunterricht ergänzt, in dem die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit erhalten, neben Keyboard, Gitarre und Percussion auch Geige spielen zu lernen. Und auch die Musiktherapie gehört inzwischen zum Angebot unserer Schule. 

Die musikalische Erziehung erhält dadurch eine ganz andere Dimension und Qualität und bereichert mit ihrem Angebot das schulische Musikrepertoire! Die Schülerinnen und Schüler nehmen erfolgreich an vielen Projekten, Wettbewerben und Veranstaltungen teil und werden so auch in ihrer sozialen Entwicklung gefördert.

Karen Tinapp,

Fachbereichsleitung Tanz, Theater, Ausdruck, JMS EUS