• © Hanna Karstens - Percussion Day 21.09.2019

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Newsletter 3 Fachbereich Musiktherapie

Die Wochen vor den Maiferien standen auch in der Musiktherapie vor zwei grundsätzlichen Herausforderungen. Die eine war die Weiterführung der Therapien unter merkwürdigen Bedingungen und mit sehr eingeschränktem Kontakt. Da es bei Musiktherapie in erster Linie um die Beziehungsgestaltung geht, die sich dabei in den vielfältigen nonverbalen Signalen der Beteiligten ausdrückt, sind diese Einschränkungen auch im Video sehr massiv (mal abgesehen von der Tonqualität ).

Musiktherapie desinfiziert © Julia Hoffmann

Zwei Entwicklungen konnten wir in den letzten Wochen dabei beobachten. Zum einen fanden sich immer kreativere und vielfältigere Wege, dennoch therapeutisch zu wirken. Und sowohl Kinder und Jugendliche als auch Therapeut:innen begannen, innerhalb der zur Verfügung stehenden Medien und Möglichkeiten der Beziehungsgestaltung, den therapeutischen Prozess auf ganz neue ungewohnte, oft überraschende Art weiter zu führen. Zum anderen zeigte sich aber auch immer mehr, dass der direkte Kontakt fehlt und vermisst wird. Dies wurde oft verbal aber auch im Spiel von den Kindern und Jugendlichen formuliert. Bei einigen Therapien ist der Kontakt auch nicht mehr so stabil wie vor und zu Beginn der Coronakrise. Unsere Kontakte zu den SuS beinhalten also Stabilisierung und selten auch Krisenintervention neben therapeutischer Arbeit an den Schwierigkeiten der Kinder und Jugendlichen. Teilweise haben sich dabei auch Schwerpunkte verschoben z. B. von den Begegnungen mit den SuS hin zu Elternarbeit und -beratung.

Die zweite Herausforderung war die Vorbereitung darauf, dass der Präsenzunterricht schrittweise nach den Ferien wieder beginnen kann. Für die Musiktherapie ist das besonders kompliziert, weil die Teilnehmer:innen nicht ihre eigenen Instrumente mitbringen, sondern ein reichhaltiges vorhandenes Angebot an Instrumenten frei zur Improvisation nutzen dürfen – normalerweise. Da alle Instrumente, die von mehreren Menschen benutzt werden, laut Hygienekonzept zunächst desinfiziert werden müssen, stellt das die Kolleg:innen vor viele Fragen.

Wie können die Instrumente effizient, aber auch ohne Schaden anzurichten behandelt werden? Welche Instrumente kann man überhaupt desinfizieren? Was bleibt noch übrig, wenn Blasinstrumente, Saiteninstrumente und Singen nicht einsetzbar sind?

Auch hier fanden sich diverse Ideen, wie wir dennoch arbeiten können: so wurden für einige Standorte Kisten gepackt mit Instrumenten für bestimmte Kinder, die dann immer diesen zur Verfügung stehen – andere müssen in der nächsten Zeit auf eben diese Instrumente verzichten. Das ist schade, aber immerhin eine Möglichkeit. Oder es konnten genügend gleiche Instrumentensätze zusammengestellt werden. So können die Kisten für mehrere Tage in Quarantäne, was das Desinfizieren unnötig macht. Zudem können wir die SuS auffordern, eigene Instrumente bzw. „Kücheninstrumente“ mitzubringen, die sie dann wieder mit nach Hause nehmen. Und wir haben auch daran gedacht, gemeinsam einfache Instrumente zu basteln. Dennoch ist es ein großer Verzicht, der auf uns alle zukommt.

Das gleiche gilt auch für die Raumnutzung. Im Grunde ist es ein wesentliches Merkmal von Musiktherapie, dass die Beteiligten sich frei im Raum bewegen – zur Musik, um zu musizieren, aber auch um mit den Instrumenten „zu spielen“: zu bauen, zu kämpfen oder Rollenspiele zu inszenieren. Mit der Abstandsregelung scheint diese Freiheit verloren zu gehen und es wird auf einmal nötig, Kindern (und manchmal auch Jugendlichen) Grenzen zu setzen und radikale Konsequenzen, wie den Abbruch der Stunde oder das Aussetzen der Stunden in Präsenz, anzudrohen. Ein solches Vorgehen widerspricht an sich den üblichen therapeutischen Grundsätzen. Diese ständige Einschränkung im Ausdruck kommt uns im Ausblick als schwierig und vermutlich belastend vor. Eine Kollegin meinte: „Da fühlt man sich wie amputiert“.

Ein besonderes Arbeitsfeld ist das Angebot in einer Erstaufnahmeeinrichtung für geflüchtete und von Gewalt bedrohte Mütter mit ihren Kindern. Dort hat die Schule schon vor den Ferien wieder begonnen und damit auch die Musiktherapie. Der Start war besonders dadurch erschwert, dass die Räumlichkeiten dort ungeeignet sind (die Kinder waren früher in einer benachbarten Schule zu Gast), kein Instrumentarium zur Verfügung steht, bis auf ein Klavier, und eine Arbeit im Freien nicht gestattet wurde. Es zeigte sich bei den Vorbereitungen, dass vor allem auch die dortige Lehrerin einen großen Unterstützungsbedarf hat, was von den Therapeutinnen mit in ihre Arbeit aufgenommen werden konnte. Nun steht allerdings zunächst die konzeptionelle Ausgestaltung von Musiktherapie unter den vorhandenen Bedingungen im Vordergrund – wobei sich die beiden Kolleginnen aber zuversichtlich zeigen, dass sich etwas Unterstützendes und Stabilisierendes etablieren lässt.

Das Angebot der Austauschgruppe für JMS-Kollegen zu den erfreulichen und auch belastenden Erfahrungen mit der Krise bleibt auch weiterhin, sicher bis zu den Sommerferien bestehen. Inzwischen ist der Austausch dort intensiv und bereichernd geworden und scheint für alle Beteiligten eine Ressource. Es besteht noch immer die Möglichkeit in die Gruppe einzusteigen – Anmeldung für den Zugang unter Corona-Austauschgruppe an vera.stein@t-online.de.

Autorin: Vera Stein
Fachbereichskoordination: Anandi Börnsen