• © Hanna Karstens - Percussion Day 21.09.2019

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Im Interview mit Frau Dr. Regina Back: „Musik hat einfach Power!“

Frau Dr. Regina Back ist Geschäftsführender Vorstand der Claussen-Simon-Stiftung. Die Claussen-Simon-Stiftung unterstützt seit über zwei Jahren die Angebote zur
Begabungsförderung an der JMS. Dazu gehören Stipendien, die kostenfreie Teilnahme an bestimmten Leistungsklassen und eine ergänzende Workshop-Reihe für Schülerinnen und Schüler. Zusätzlich erhalten Schülerinnen und Schüler, die aus sozialen Gründen einer Förderung bedürfen, eine besondere, individuelle Begabungsförderung.

Dank der Aktion #WASZÄHLT! der Claussen-Simon-Stiftung als Antwort auf die Pandemie konnten dringend benötigte Notebooks, Webcams, Soundstations und mobile Koffer angeschafft werden, die an die Lehrkräfte der JMS ausgegeben wurden und mit denen zahlreiche Schülerinnen und Schüler online erreicht werden konnten.

 

Interview:


Redaktion:
Stichwort Corona: Wie haben Sie die Pandemie bis jetzt erlebt?

Dr. Back: Die Pandemie bedeutet für uns in der Claussen-Simon-Stiftung, dass eine Vielzahl unserer Veranstaltungen ausfallen muss und dass wir einen Teil unserer Förderprogramme, die wir normalerweise über das Jahr hinweg anbieten, nicht durchführen können. Kein Mensch braucht Wettbewerbe in Zeiten von Krisen. Schnell wurde uns klar, dass Not in verschiedenen Bereichen entstehen würde. Natürlich bei den soloselbstständigen Künstlerinnen und Künstlern, ebenso in Hochschulen. Aber auch, dass es für die Schulen zur Herausforderung werden würde, den Unterricht schnell umzugestalten und überhaupt aufrechterhalten zu können. Deshalb haben wir drei Nothilfe-Fonds aufgelegt, für Schulen, Hochschulen und Kunstschaffende. Die ganze Initiative haben wir unter das Motto #WASZÄHLT! gestellt und insgesamt eine halbe Million Euro in diese drei Fonds gegeben.

Wir waren seither die ganze Zeit im vollen Arbeitsmodus. Von zu Hause aus. Begonnen hat diese Initiative am 16. März 2020. Da wurden die Entscheidungen getroffen und das Geld bewilligt, das war drei Tage nach der Verkündung des Lockdowns.

Redaktion: Das ist sehr, sehr schnell geschehen. Was hat Sie dazu bewogen, so schnell umzustrukturieren und Gelder umzuschichten?

Dr. Back: Im Krisenmodus funktioniert so manches, auch das Nachdenken, blitzartig schnell. Jedenfalls habe ich sofort verstanden, dass wir alles ändern müssen. Das Team musste ins Home-office umsiedeln, trotzdem wollte ich gewährleisten, dass es arbeitsfähig bleibt. Nicht in dem Sinne, dass alle ein Notebook haben, sondern auch, dass alle etwas Relevantes zu tun haben. Mir war klar, dass es eine besondere psychische Belastung bedeuten würde, wenn wir jede/-r für sich zu Hause sitzen würden. Wir brauchen einen Sinn, der uns zusammen hält. Und davon einmal ganz abgesehen sind wir als gemeinnützige Stiftung gerade in einer solchen allumfassenden Ausnahmesituation gefragt, schnell und unbüro-kratisch wirksam zu werden. Das ist einfach unsere Aufgabe.

In diesen allerersten Tagen habe ich wenig geschlafen, ich habe nachgedacht, wie wir dort, wo es nottut, und in den Bereichen, in denen wir normalerweise tätig sind – Bildung & Schule, Wissenschaft & Hochschule, Kunst & Kultur – helfen könnten, wie wir unsere Mittel schnell und sinnvoll einsetzen könnten – soweit man eben mit Geld weiterhelfen kann, denn Geld ist ja nicht alles. Es braucht immer auch Menschen, die etwas tun wollen und die mit solchen Mitteln dazu befähigt werden, Notwendiges und Sinnvolles zu tun.

Über das Wochenende haben wir im Team per WhatsApp Ideen gesammelt und ein Konzept erarbeitet, das bis Sonntagabend fertig war. Am Montag, dem 16. März, habe ich in einer außerplanmäßigen Vorstandssitzung dieses Konzept präsentiert, und das Vorstandsgremium hat dafür eine halbe Million Euro bewilligt. Drei Tage vergingen von der Ideenfindung über den Umzug ins Homeoffice bis zur Vorstandsentscheidung und der Umsetzung. Diese Flexibilität zeichnet uns tatsächlich aus, denn wir sind in Entscheidungen oft sehr schnell. Da greift alles ineinander: Ein ideenreiches und engagiertes Team, ein entscheidungsfreudiger Vorstand, und alle ziehen an einem Strang. Das passt einfach.

Redaktion: Dank der Umschichtung der Stiftungsgelder konnte unter anderem die JMS in der Hochphase der Pandemie schnell von der Claussen-Simon-Stiftung unterstützt werden. War dieser Schritt selbstverständlich für Sie? Wieso war es Ihnen so wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler der JMS weiterhin die Möglichkeit geboten bekommen, sich trotz des Lockdowns musikalisch zu betätigen?

Dr. Back: Verbunden mit dem Maßnahmenpaket war der Vorsatz, dass die Institutionen, die von uns eine laufende Förderung erhalten, flexibel unterstützt werden würden. Nach einem Telefonat mit Herrn Prof. Müller entschied ich, einen Teil der Mittel sofort umzuwidmen, damit die JMS arbeitsfähig bleiben konnte.

Ich bin davon überzeugt, dass Musik – wie überhaupt Kultur – gerade auch in Krisen wichtig ist und zugänglich bleibt. Mein Leben wäre nicht denkbar ohne Musik, und das sage ich nicht als studierte Musikwissenschaftlerin. Musik hat mir immer wieder über schwere Zeiten in meinem Leben hinweg geholfen, sie erleichtert die Seele, schafft einen Ausgleich, sorgt für inneres Gleichgewicht. Es ist gerade auch in Zeiten von Corona enorm wichtig, dass man die Möglichkeit aufrechterhält, Musik zu machen und Musik zu erleben, und dass junge Menschen erfahren können, dass Musik dem seelischen Gleichgewicht einfach zuträglich ist.

Redaktion: Seit 2018 unterstützen Sie die JMS mit ganz unterschiedlichen Förderangeboten. Welche Motivation steht dahinter?

Dr. Back: Dazu gibt es Verschiedenes zu sagen. Ein Punkt ist, dass der Musikunterricht an Schulen immer mehr ins Abseits geraten ist und dass sich die Schülerinnen und Schüler, die nach dem Abitur Musik studieren wollen, infolgedessen erst einmal selbst all das erarbeiten müssen, was für ein musikbezogenes Studium die Voraussetzung ist. Wenn aber Schulen die wirklich musikalischen Schülerinnen und Schüler nicht mehr auf eine Aufnahmeprüfung an einer Musikhochschule vorbereiten können, dann kann das vielleicht eine Jugendmusikschule leisten. Ihren Bildungsauftrag erweitert sie damit zudem um eine wirklich berufsrelevante Facette.

Jedenfalls war das eine meiner Überlegungen, die im Gespräch mit Herrn Prof. Müller aufkam. Denn u. a. in der Jugendmusikschule finden sich die interessierten und begeisterten Musikschülerinnen und Musikschüler. Wenn diese nun das Angebot erhielten, sich neben der Schule in zusätzlichen Unterrichtsangeboten die Kenntnisse zu erarbeiten, die man für eine Aufnahmeprüfung braucht – das wär‘s doch. Das Tolle ist: Wir haben das nun zwei Jahre lang ausprobiert und sehen jetzt, dass es tatsächlich einen relevanten Unterschied macht. Die Absolventinnen und Absolventen der JMS, die sich professionell der Musik widmen wollen, erhalten zu 90 Prozent direkt nach dem Abitur einen Studienplatz. Das ist das Eine.

Das Andere bezieht sich darauf, dass Musik natürlich nicht nur etwas für Kinder und Jugendliche ist, die besonders musikalisch oder begabt sind oder die den Zugang zur Musik einfach schon von zu Hause mitbekommen, eben weil deren Eltern die musikalische Bildung befördern und ihnen die Liebe zur Musik mit auf den Weg geben. Es gibt immer wieder Mädchen und Jungen aus Familien, in denen Musik keine Rolle spielt oder wo die Möglichkeiten dafür nicht gegeben sind, für die es aber einfach das Größte ist, Klavier-, Violin- oder Flötenunterricht zu erhalten. Für die schlägt unser Herz natürlich auch, und an sie richtet sich ebenfalls ein Teil der Stipendienmittel.

Redaktion: Was bedeutet Ihnen ganz persönlich die Musik?

Dr. Back: Es gab Zeiten in meinem Leben, in denen mir die Musik fast alles bedeutete. Begleitet hat sie mich mein ganzes Leben lang, durch gute und schlechte Zeiten. Besonders schöne oder intensive Augenblicke wurden durch Musik noch überhöht und sind mit diesen Tönen unvergesslich im Gedächtnis verankert. Das Klavierspiel und das Hören von Musik haben mir aber auch über schwierige Zeiten geholfen, spendeten dann Trost oder taten dem seelischen Gleichgewicht gut. Musik ist eine so wichtige Konstante im Leben. Eine Konstante, die mir nie verloren gegangen ist.

Das Großartige an Musik ist, dass man sich diese Freude jederzeit selbst bereiten kann. Man kann sich zu Hause ans Instrument setzen und musizieren und bringt dabei etwas nach außen und in die Welt, das keiner Worte bedarf und doch ganz und gar dem persönlichen Ausdruck dient.

Davon abgesehen verbindet einen die Musik mit anderen Menschen, man kann das Erlebnis mit anderen teilen, und sie stiftet Begegnung und Gemeinschaft. Durch Musizieren und Zuhören entsteht eine Verbindung zwischen Menschen, bestenfalls eine Begegnung. Wir gehen alle ins Konzert, um gemeinsam Musik zu hören. Eltern gehen in die Musikschule, um ihre Kinder bühnenreif musizieren zu hören. Man macht Kammermusik, singt gemeinsam im Chor. Musik bringt die Menschen zusammen und lässt sie einen Gleichklang erfahren, den sie, so unterschiedlich wie sie sind, nur auf ganz wenigen anderen Wegen erreichen können.

Das alles schafft Musik. Musik hat einfach Power – ganz individuell und ganz universell.

Redaktion: Svenja Brandt